I was asked by Swiss Post to create a 7.5-second film that will become the NFT for one of a series of ten Crypto Stamps launching in August 2022. How to respond to the Swiss Posts prompt to create «a symbol that interprets your country»? This framework raised strong political questions for me about the nation-building aspect of the postage stamp.
Who decides what "national symbols" represent the national construct we live in? Who has the ability to have a say, to act, and co-create meaning (mit-gestalten) in a nation like Switzerland, where, for instance, one third of the population is not allowed to vote and is therefore rendered somewhat invisible to institutional politics? (Comment: The people are not completely invisible, insofar as they are contributing to society and their work is necessary. They work here and contribute, for example, by paying taxes.)
I was interested in something that goes beyond well-known national symbols like mountains and Swiss chocolate. I was looking for imagery that is closer to the lives and people who actually inhabit the space called Switzerland. Since INES* works on exactly this, we decided to collaborate and bring our expertise together for the making of this clip. The people you see in the video are members of INES, involved in very diverse fields of activity, as INES seeks cross-thematic alliances to develop new socio-political visions.
To respond to the request for "a new symbol for Switzerland," we created a meeting situation for INES members, who came together from different parts of Switzerland to take part in the filming. This was followed by vivid discussions in various cafés and bars, eventually ending on the dancefloor. In the film, we see a staged everyday situation: people living on the same ground trying to coexist—going to work, for a walk, or taking lunch breaks with colleagues, etc. The final gaze in the clip can be understood as resistance to judgment and prejudice, a gentle reminder or an inspiration to connect with what surrounds you. #NewSwitzerland
* The Institute New Switzerland (INES) is a think & act tank based in Bern. The association promotes projects that critically and transformatively address issues of migration, racism, and colonialism in Switzerland, thereby fostering equal opportunities and democracy. INES' activities include networking, public expertise, and institutional opening processes. In addition to two volunteer board members, INES currently comprises a network of approximately 80 active individuals.
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Wer die Neue Schweiz sehen möchte, muss nie weit schauen. Sie ist überall, von lernend und zuhörend bis ausbildend, kritisch, kritikfähig und mitredend. Ein Videoclip der Filmemacherin Nora Longatti, das am Filmfestival in Locarno gezeigt wurde, spielt darauf an. Der Videoclip ist einer von zehn NTFs einer neuen Krypto-Briefmarken-Serie der Schweizerischen Post.
Die Neue Schweiz ist längst Teil unserer Gesellschaft. Sie ist in Geburtshäusern, an Geburtstagen, Freizeit-, Sport- und Ferienorten. In Pausenhöfen, an Bahnhöfen, in Spitälern, in Care-, Bau-, Bildungs- und Weiterbildungsinstitutionen und auch auf unseren Friedhöfen ist sie bemerkbar. Sie ist vielstimmig, oft mit dem Drang zur Mitgestaltung und mit dem Willen der Wertschätzung von Unterschiedlichkeiten, in diesen anerkannt und wahrgenommen zu werden, und sichtbar zu sein.
Auch an einem Märzmorgen begegneten sich Menschen dieser Neuen Schweiz, in einem Berner Quartier. Drei Dutzend verschiedene Personen aus dem Netzwerk des Institut Neue Schweiz, auf verschiedenen Intersektionen, individuell und aus unterschiedlichsten Kollektiven. Sie sind gekommen, um gemeinsam einen kurzen Clip zu drehen, welcher am Samstag, 6. August 2022, am Filmfestival in Locarno gezeigt wurde und seit heute als Krypto-Briefmarke erhältlich ist. Das Ziel der Filmemacherin war es, dem Narrativ der Schweiz neue und andere Bilder anzufügen, ihm manchmal etwas entgegenzusetzen, es zu ergänzen, vielstimmig für kurze 7.5 Sekunden.
Dies ist eine sehr komplexe und schwierige Frage für mich. Ich würde sie so beantworten: Kennst du das Gefühl, dass du dich aus irgendeinem Grund Wohl fühlst? Du kannst es noch nicht beschreiben, oder benennen, nicht greifen, kaum erklären. Du spürst, wie sich deine emotionale Batterie mit jedem Kind, jeder Person, jeder erzählenden Mutter im Raum auflädt. Verschiedene Klänge, Grinsen, Sprachen, Einschübe, Ergänzungen, Lachen, pausierte und wiederaufgenommene Sätze, Kommentare. In den und vor allem trotz der Unterschiedlichkeiten findet man Gemeinsamkeiten, es ist eine gewisse Unbeschwertheit, Verletzbarkeit und Intimität, welche ich von Zuhause kenne und schätze. Markierungen werden aufgehoben, Wissen wird sichtbar gemacht, Meinungen werden ausgetauscht, aus dem «Woher kommst du» wird ein «wohin gehen wir?», oder wie es konkret nach dem Video-Dreh gefragt wurde: «Wohin gehen wir gemeinsam essen und wer möchte mitkommen?».
In einer Kooperation mit der Filmmacherin Nora Longatti hat INES gefragt: Wie können wir als Institution etwas entwickeln, das eine gesellschaftliche Aussenstrahlung und gleichzeitig eine empowernde, selbstbestimmte Wirkung hat. Im Interview erzählt uns Nora Longatti etwas mehr zu den Hintergründen des Kurzspots und der Krypto-Briefmarke, vom Auftrag zur Idee bis zur Umsetzung des Konzepts, und welche Rolle Ressourcen am Dreh und Auftraggebende spielen können.
Mardoché: Liebe Nora, was war deine Grundidee bei diesem Projekt?
Nora: Ich wurde vom Locarno Film Festival angefragt, einen von zehn 7.5-Sekunden-Filmen für eine Krypto-Briefmarken-Edition zum 75. Geburtstag des Festivals zu produzieren. Das Projekt ist eine Kollaboration des Locarno Film Festival mit der schweizerischen Post. In diesem Rahmen wurden heute 25’000 Briefmarken publiziert, die mit einem QR Code mit dem Kurzfilm verknüpft sind. Ich habe überlegt, wie ich auf dieses Format «Briefmarke» eingehen möchte, was die Geschichte ist und was (oder wer) üblicherweise darin repräsentiert wird. Und ich bin zum Schluss gekommen, dieser Plattform mit der Frage, was ein akkurates Bild der «Schweiz» sein könnte zu begegnen, ohne dabei auf eine symbolische Repräsentationsebene für einen «Nationalstaat» abzurutschen. Mit diesem Ansatz kontaktierte ich INES mit der Idee, eine Szene in einem unspektakulären Espace Public zu filmen, in der Menschen in einer sehr alltäglichen Situation sichtbar sind. Toll war, dass aus dem Videodreh auch ein anregendes Vernetzungstreffen für INES wurde.
Mardoché: Repräsentation und Sichtbare Diversität ist gerade bei grösseren Unternehmen, Institutionen und Vereinen sehr im Trend. Dies ist auch ambivalent. Es werden einerseits zwar neue Perspektiven sichtbar, anderseits geht es auch um Vermarktung und Kapital. Wie gehst du mit diesem Spagat um?
Nora: Ich habe das Glück, diesen Spagat nicht machen zu müssen, da ich als Künstlerin im Kultursektor und nicht als Werberin in der Wirtschaft tätig sein kann. Die Krypto-Briefmarke wird als Carte Blanche für 10 ausgewählte Schweizer Filmemacher:innen kommuniziert, was von einem Vermarktungsauftrag absehen lässt. Für mich stellt sich immer die Frage, aus welchen Gründen eine Person gefragt wird, in einem Projekt mitzumachen und was die Konditionen und ihre Rolle sind. Wenn es dabei einzig um ein oberflächliches Repräsentieren geht, wobei die Individualitäten der Personen keine Rolle spielen, geht das für mich nicht auf. Der Hashtag #NeueSchweiz als Teil des Clips ist sicherlich sehr wichtig: Er kann die Betrachtenden mit den Anliegen von INES vertraut machen und verortet den Cast in seinem spezifischen Kontext.
Mardoché: Deine Filme versuchen Missstände aufzudecken und dafür wurdest du mehrfach international ausgezeichnet. Wie gehst du bei der Erstellung des Konzepts vor? Hast du eine innerliche Vision oder ist es ein rollender Prozess? In einem Interview zu deinem Kurzfilm «Chute» sagst du, dass dir beim Filmemachen wichtig ist, dass die Darsteller:innen nicht die Klischees einer ihnen zugewiesenen Andersartigkeit verkörpern oder diese zum Thema ihrer Figuren machen müssen. Warum ist es besonders wichtig, diese Individualitäten zu wahren?
Nora: Das sind viele grosse Fragen! (lacht) Hm... Ich habe schon so meine Visionen und sie reagieren auf Themen, die mich umgeben, sind bewegliche Anliegen. Ich denke, was ich als Kulturarbeiterin mache, ist eine Form von Gesellschaftskritik und Sensibilisierung zugleich. Ich mag es, wenn meine Filme zu Auseinandersetzungen anregen, Lust machen – und darin auch unbequem sein können. Darin suche ich weniger danach zu schockieren, eher zu fragilisieren – so auch in der Frage um Wiederholungen von Klischees: Im europäischen Film haben einige klischierte Figuren eine lange, rassistische und sexistische Tradition. Sich dieser bewusst zu werden und mich zu fragen, wie ich diese kritisch dekonstruieren kann, was denn überhaupt eine Figur klischiert oder eine Kollaborations:partnerin überhaupt zu einem Klischee werden lässt, ist mir ein grosses Anliegen. Der unreflektierte Umgang damit empfinde ich schlicht als verletzend und gefährlich bequem.
Mardoché: Zurück zum Clip. Ich mag mich am Drehtag an eine Szene noch besonders gut erinnern. In alle Richtungen und in drei Sprachen wurde simultan gesprochen, eine (für mich) angenehme, vertraute postmigrantische Situation. Niemand fühlte sich als «Übersetzerin», aber alle taten es, je nach Möglichkeiten. Ich sehe dich noch, wie du von einer kleinen Gruppe zur anderen kleinen Gruppe ranntest und auf Deutsch, Französisch, Englisch und ich glaube auch Italienisch Anweisungen, Instruktionen gabst und Fragen beantwortet hast. Du bist auf alle und alle Bedürfnisse eingegangen. Ist das nicht ein unglaublicher Aufwand?
Nora: Ja, und ich empfinde das als unglaublich wichtigen und schönen Zustand!
Mardoché: Ich glaube zudem hatten viele vom Cast, wenn nicht gar alle, keine schauspielerische Erfahrung. War dies Absicht oder Zufall?
Nora: Persönlich bin ich der Überzeugung, dass für mein Filmemachen wichtig ist, dass die Kompliz:innen Lust haben, Teil einer Auseinandersetzung und eines Dialogs zu sein. Da der INES-Krypto-Kurzfilm eine Kollaboration mit Personen aus dem Netzwerk von INES ist und von Anfang an klar war, dass natürliche Personen aus dem Netzwerk auch im Film präsent sein werden, spielte die schauspielerische Erfahrung auch keine Rolle.
Mardoché: Betreffend Rollen. Was erhoffst du dir von zukünftigen Auftraggeberinnen im Kulturbereich, um weitere ähnliche Projekte wie dieses realisieren zu können?
Nora: Dass wir weiterhin selbständig entwickeln können und dass unsere Arbeit stärker wertgeschätzt wird – vor allem was die Budgets solcher Projekte anbelangt.
Mardoché: Und als letztes, wie sieht deine Neue Schweiz aus? Was ist aus deiner Realität heraus wichtig?
Nora: Eine der wichtigsten und hoffentlich auch nahbarsten Aspekte einer Neuen Schweiz ist für mich eine von der Aktion Vierviertel vertretenen Entwurf: Wer hier lebt, solle ein Grundrecht auf Einbürgerung erhalten.
Videoclip
commissioned by the Swiss Post, released in 2022
Format
7.5 Seconds
16:9
Color
Stereo Sound
country of production: Switzerland
no spoken language
Credits
On screen: Migmar Dhakyel, Eva De Souza, Jeanne Kabengele, Dragana Draca, Esther Schmelcher Gerber, Rohit Jain, Izabel Barros, Myrsini Arvanitis, Vanja Ivana Jelić, Jaëlle Kabengele, Daniel Tshiabola Kabengele, Maria-Cecilia Quadri, Elena Alba Ristin, Tarek Naguib, X Schneeberger, Robin Bussien, Mardoché Kabengele
Concept, Production and Realization: Nora Longatti in collaboration with Nicolle Bussien, Mardoché Kabengele, Maria-Cecilia Quadri (INES and FrINES)
Camera: Luca Marano
Set Sound Recordist & Mixer, Sound Design: Anuk Schmelcher
Grading: Kezia Zurbrügg
Titles: sava
Thank you very much to everyone who participated, FrINES, Medina Catering Bern, Berner Rassismus Stammtisch, Livingroom Bern, Mare Longatti, Ennio Ruschetti, Sara Arzu Hardegger and Samuel Gfeller.
Zum 75-jähriges Jubiläum des Filmfestivals Locarno wurden zehn junge Filemacher:innen in einer Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Post angefragt je ein Video zu erstellen, welches innert 7.5 Sekunden verschiedene Schweizer Werte und Symbole (neu) interpretiert und visuell darstellt.
Angelehnt an der ersten Crypto Stamp 0.1 wurden diese Videos grafisch umgesetzt und werden seit Montag 8. August in einer Auflage von 25'000 Stück pro Sujet zu je CHF 9.- zusammen mit einem QR-Code als Sammlerobjekt verkauft. Der QR Code auf der Briefmarke kann eingescannt werden und so erscheint der jeweilige Kurzclip. Mehr Informationen findest du hier.
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